Presse

Kaddisch in der Liturgie „Ein Ritual für die Trauernden“

Deutschlandradio Kultur

Mimi Sheffer im Gespräch mit Anne Françoise Weber
24.01.2016


[…] Weber: Wenn wir jetzt noch mal auf die Erinnerung an die Schoah zurückkommen, dazu gibt es in Israel ja auch einen offiziellen Gedenktag, Jom HaSchoah – 2016 ist der am 5. Mai –, da wird nun ein besonderes Gebet gesprochen, das aber auch nicht nach dem Holocaust formuliert wurde, sondern viel älter ist: El Male Rachamim. Was ist das für ein Text, und gab es auch Versuche, einen besonderen Text nach dem Holocaust zu schaffen für diesen Tag?

Sheffer: Sie haben viele Fragen auf einmal gestellt. El Male Rachamim ist ein Gebet für die Verstorbenen, das kommt meistens in Gedenkfeiern vor und hat auch sozusagen einen Leerraum, wo man Namen der Verstorbenen und auch die Beziehung zu den Verstorbenen erwähnen kann, und das gehört zu mehreren Ritualen. Das ist El Male Rachamim. Weil es diese Flexibilität hat, hat es sich gerade für die Schoah sehr gut angepasst, und hier in Berlin wurde von Kantor Estrongo Nachama eine Tradition entwickelt, nicht den Namen der Opfer zu erwähnen, sondern viele KZs und Vernichtungslager und Ghettos, in denen sie gestorben sind. […]


Estrongo Nachama, 81, Dies; Chief Cantor of Berlin’s Jews

New York Times

By ROGER COHEN
17.01.2000

Estrongo Nachama, the chief cantor of the Berlin Jewish community and the man who did as much as anyone to revive Jewish life in the city after Hitler destroyed it, died on Thursday. He was 81.

The cause of death was a heart attack, his family said. Vigorous to the last, eyes always glimmering, his voice scarcely affected by age, Mr. Nachama exuded the passion for life of a man who had seen the worst horrors and come through. He was an Auschwitz survivor, spared because his voice pleased the SS guards, who particularly enjoyed his rendering of “O Sole Mio.“ His family, all sent to Auschwitz after the Nazis took control of northern Greece, where Mr. Nachama was born, was less fortunate. His parents, a sister and many relatives were all killed by the Nazis at the camp. While forever marked by this loss, Mr. Nachama was an inveterate optimist of seemingly boundless energy.

On his 80th birthday, he declared, “I will sing for as long as God allows me“ — and he did, coaching bar mitzvah students until the day before his death. “He was one of the absolutely critical people in terms of the rebuilding of the Jewish community in Berlin,“ said Tom Freudenheim, the deputy director of the city’s Jewish museum. “Before the wall fell, he would cross to the East with a special pass to conduct services there. In his day, his voice was famous well beyond this city.“ In 1947, when Mr. Nachama became cantor, the Jews of Berlin had almost all departed or died. Today, with the Jewish population swollen by an influx of Jews from Russia and other Central and Eastern European countries, about 12,000 people are registered members of the Jewish community and several thousand more are known to live here.

Estrongo Nachama was born in Salonika, Greece, the son of a prosperous grain merchant. He was to have taken over the family business, but the Nazis sent his entire family to Auschwitz in 1943. A splendid tenor, Mr. Nachama earned the nickname “the singer of Auschwitz.“ His voice saved his life. When the camp was closed in 1945, Mr. Nachama was pressed into a “death march“ back to Germany. Sick with typhoid, he was ultimately freed by Soviet troops near Berlin in 1945. On his recovery, he planned to take a train back to Greece. But he grew close to a Christian family that had taken him in and quickly became active in what was left of the Jewish community. In the end, he never left.

His voice became well known in the city and was broadcast on Friday nights by the radio service in the American sector of Berlin. He worked tirelessly for an improved understanding between Jews and Christians and became one of the first prominent German Jews to attend church congresses. When, last September, Prime Minister Ehud Barak of Israel became the first foreign leader to visit Germany after the government moved back to Berlin, Mr. Nachama was at his side during a service at the Sachsenhausen concentration camp near the capital. His voice rising over the bleak scene of horror was one of tremulous beauty. Mr. Nachama is survived by his wife, Lily, a son, Andreas, who is the leader of the city’s Jewish community, and two grandchildren.


FESTIVAL: Bestechender Kantorengesang
Synagogalmusik mit Azi Schwarz und dem Rias-Kammerchor zur „Vocalise“ in der Erlöserkirche

MärkischeAllgemeine.de

25.11.2010

[…] Der Rias-Kammerchor ist bereits unter der Leitung von Uwe Gronostay seit den frühen 1960er Jahren im liturgischen Gesang am Schabbat erprobt. Unvergessen sind die gemeinsamen Gottesdienste mit dem Berliner Kantor Estrongo Nachama. Diese Erfahrung hatte sich auch auf die 16 Damen und Herren der aktuellen Besetzung übertragen. Als Spezialchor für die jüdische Gesangstradition war das Zusammenwirken mit dem Kantor aber auch im reinen Chorsatz überwältigend. An eine derartige Sangeskultur reicht so schnell kein anderer Chor heran. […]


Lewandowski: Zur kantoralen Musik der Synagoge Pestalozzistraße


haGalil.com

Kantor László Pásztor
10.11.2010

[…] 1987 fing ich in Berlin an. In der PestalozzistraßeKantor zu sein ist nicht einfach irgendeine Position. Durch Estrongo Nachama, sel. A., der in dieser Synagoge 54 Jahre gewirkt hat und Harry Foss sel. A., wurde sie zu einer echten Lewandowski-Synagoge. Hier fand ich meine letzte und wichtigste Stelle. Diese Synagoge ist dank der Zusammenarbeit mit meinen Kollegen Isaac Sheffer, Simon Zkorenblut, den Organisten Regina Yantian und Gabriel Irányi sowie früher Gloria Seipelt, sel. A., und dem Chor weiterhin weltbekannt. Mit dem klassischen Lewandowski-Gottesdienst repräsentiert sie das liberale Judentum, wie es seinen Anfang 1866 in der Neuen Synagoge genommen hat.[…]


Berlin-Charlottenburg Streifzüge

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Vor 60 Jahren in der Pestalozzistraße
Mechthild Küpper

08. Dezember 2007

[…] Vor 60 Jahren wurde die Synagoge in der Pestalozzistraße wiedereröffnet. Es ist die zweitälteste in Berlin, und wie die älteste, die in der Rykestraße in Prenzlauer Berg, die kürzlich glanzvoll restauriert wieder in Besitz genommen wurde, ist auch die in der Pestalozzistraße in der Kristallnacht deswegen verschont geblieben, weil sie nicht an der Straße, sondern auf dem hinteren Teil des Grundstücks steht. Die Synagoge in der Pestalozzistraße ist liberal. Ihr im Jahr 2000 verstorbener Oberkantor Estrongo Nachama hat dort über fünfzig Jahre lang gewirkt; seine Stimme war weit über die jüdische Gemeinde hinaus bekannt. […]


Ein Stück West-Berlin

Jüdische Allgemeine
Vor 60 Jahren wurde die Synagoge Pestalozzistraße wieder eingeweiht
Olaf Glöckner

06. Dezember 2007

[…] Als am gleichen Ort im Spätsommer 1945 wieder die ersten Gottesdienste stattfinden, ist kaum einer der einstigen Beter dabei. Ein Neubeginn ist zweifelhaft. Dass er in den folgenden Jahrzehnten dann doch gelingt und sich die Synagoge sogar zum liberal-jüdischen Mittelpunkt im Westen der Stadt entwickelt, hat viel mit dem unvergesslichen Kantor Estrongo Nachama und einer ganzen Kette engagierter Rabbiner zu tun – unter ihnen Persönlichkeiten wie Nathan Peter Levinson, Cuno Lehrmann, Manfred Lubliner und Ernst Stein. Auch die führenden Repräsentanten der Berliner Einheitsgemeinde und des Zentralrates der Juden unterstützen das Haus nach Kräften.

Ein halbes Jahrhundert nach der Katastrophe steht das Gotteshaus dann in neuer Blüte. 1997 erscheint ein viel beachtetes Gebetbuch unter Mitarbeit von Andreas Nachama, der den hauseigenen Ritus für künftigen Gebrauch zusammenfasst. Schmerzlich trifft die Gemeinde im Jahr 2000 der Tod seines Vaters, Oberkantor „Eto“ Estrongo Nachama, der mit einzigartiger Stimme und herzlichem Auftreten über 50 Jahre lang die Gemeinde begleitet hatte. […]


Wiedereinweihung Synagoge Rykestraße und Eröffnung 21. Jüdische Kulturtage 2007
Sharon Adler

03.09.2007

Die größte Synagoge Deutschlands wurde nach dreijähriger Bauzeit am 31. August 2007 feierlich wieder eröffnet. Ein Ort der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft für 1.200 Menschen

[…] Das jährliche Synagogenkonzert mit dem Westberliner Kantor Estrongo Nachama und [Chor] stieß regelmäßig auf große Resonanz.

Im Jahre 2004 musste die Synagoge aus bautechnischen Gründen komplett geschlossen werden . […]

Synagogenkonzert 1979
links vorne Harry Foss


Kantorenausbildung in Potsdam
epd

Jüdische Allgemeine

19. Juli 2007

Das Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam will künftig neben Rabbinern auch Kantoren ausbilden. Die europaweit einzige Ausbildungsstätte für die musikalische Gestaltung von Gottesdiensten soll im Herbst 2008 beginnen, teilte das Kolleg vergangene Woche in Potsdam mit. Ziel sei, den „eklatanten Mangel an qualifizierter Gemeindeleitung“ zu beheben. Die Allgemeine Rabbinerkonferenz Deutschlands habe das Konzept Ende Juni positiv bewertet und ihre Unterstützung zugesagt. Das vierjährige Studium am neuen „Jewish Institute of Cantorial Arts“ in Kooperation mit der Universität Potsdam und der „School of Sacred Music“ des Hebrew Union College in Jerusalem und New York endet mit einem Bachelor- Abschluss. Die Errichtung des Kantorenseminars werde von der amerikanischen Breslauer-Stiftung mit 300.000 US-Dollar gefördert. Auch die Bundesregierung sei gebeten worden, den jährlichen Betrieb ab 2008 zu bezuschussen. Erste Bewerbungen für den Studiengang sind nach Angaben des Kollegs bereits eingegangen. Die künftigen Kantoren sollen auch Qualifikationen als Religionslehrer erhalten. Mit sieben neuen Rabbinerschülern würden zudem ab Herbst 2007 insgesamt 16 Studierende am Kolleg ausgebildet. Die ersten drei Absolventen wurden im vergangenen Jahr zu Rabbinern ordiniert.

Einmal so singen wie
Estrongo Nachama
(1918-2000)


Michaela Golzmann

Jüdische Allgemeine

05. April 2007

Früher, bevor die Nazis das jüdische Leben in Europa ein für allemal auslöschen wollten, da waren jüdische Gemeinden in Deutschland bekannt für ihre wunderbaren Kantoren. In den Jahrzehnten nach der Schoa waren es dann nur wenige Vorbeter, die den Gottesdienst in den Synagogen mit ihren Gebetsgesängen zu einem besonderen Erlebnis werden ließen. Unter ihnen nimmt Oberkantor Estrongo Nachama, der bis zu seinem Tode vor sieben Jahren in Berlin amtierte, eine ganz besondere Stellung ein.[…]


„Schlechter Gesang beleidigt Gott“
Avitall Gerstetter ist Deutschlands einzige jüdische Kantorin.
Jetzt macht sie auch Popmusik

Der Tagesspiegel

11. November 2006

[..] Die Kantorin hat sich gegen viele Widerstände behauptet. Seit acht Jahren amtiert sie als erste und einzige jüdische Kantorin Deutschlands regelmäßig in Berliner Synagogen. Der legendäre Oberkantor Estrongo Nachama hat die klassisch ausgebildete Sängerin und ihr Kantoren-Fernstudium, das sie 2001 in New York abschloss, gefördert. Letztes Jahr gab’s plötzlich Probleme. Orthodoxe Kreise innerhalb der Jüdischen Gemeinde erwirkten die Kündigung der jungen, liberalen Kantorin. Eine Frau als Mittlerin zwischen Betenden und Gott ist für viele Konservative nach wie vor eine Provokation. [..]


Zwei Rabbiner über Estrongo Nachama

Jüdische Korrespondenz
Rosa Lewin

Mai 2005

Es wurde eine Veranstaltung mit vielen Höhepunkten. Das begann damit, dass ihre Leitung in den Händen zweier Rabbiner lag, die zu den prägenden Persönlichkeiten des liberalen Judentums in Berlin gerechnet werden: Neben Rabbiner Dr. Andreas Nachama saß Rabbiner Dr. Walter Hornolka, Gouverneur der Weltunion für progressives Judentum für Europa, der zu Beginn von der Dankesschuld des Abraham Geiger Kollegs und der liberalen Juden in Deutschland überhaupt gegenüber Estrongo Nachama sprach. Seinem Wirken als Kantor sei die Erhaltung der liberalen Musiktradition in Nachkriegsdeutschland zu verdanken, für die Namen wie Lewandowski, Sulzer und Naumburg stünden. Nachama sei für ihn von jung an das Vorbild eines Kantors gewesen, »der Kantor per se«. Homolka würdigte auch die Ver-dienste Andreas Nachamas namentlich um das Reformjudentum und nannte Etappen aus dessen Leben bis zur Synagoge am Hüttenweg (nun mit Sohn Alexander als Kantor). mehr


Abraham Geiger Kolleg
„Hat außer Singen nichts im Sinn“
CD-Präsentation mit Aufnahmen von Oberkantor Estrongo Nachama im Jüdischen Kulturverein

Kescher

Frühjahr 2005

„Seine Lust war Singen – sein Leben war Gebet“ steht auf dem Grabstein des unvergessenen Berliner Oberkantors Estrongo Nachama (1918-2000), der vor sechzig Jahren von der Roten Armee auf dem Todesmarsch bei Nauen befreit worden war, auf eine Rückkehr ins heimatliche Saloniki hoffte, aber dann doch in Berlin hängen blieb und hier über fünfzig Jahre für die jüdische Gemeinde tätig war. In den unvermeidlichen Stasi-Akten des Kantors, der als griechischer Staatsbürger auch regelmäßig in der Hauptstadt der DDR amtieren und bei Synagogalkonzerten im Friedenstempel Rykestraße auftreten konnte, heißt es hingegen eher lapidar. „Hat außer Singen nichts im Sinn.“ Soeben ist ein Live-Mitschnitt einer Schabbat-Feier mit Gesängen Nachamas herausgekommen, auf der er vom Chor der Synagoge Herbartstraße und von Monika Almekias-Siegl an der Orgel begleitet wird: ein schöner Anlass für seinen Sohn Rabbiner Dr. Andreas Nachama und für Rabbiner Dr. Walter Homolka, bei einer Veranstaltung im jüdischen Kulturverein am 10. April den Lebensweg von „Eto“ nachzuzeichnen und mit Musikbeispielen zu illustrieren. Rabbiner Homolka erinnerte daran, dass es namentlich Estrongo Nachama zu danken ist, dass die reiche Musiktradition des liberalen deutschen Judentums, für die Namen wie Lewandowski, Sulzer und Naumburg stehen, im Nachkriegsdeutschland erhalten blieb. In der „Schabbat-Feier“ finden sich denn auch die altvertrauten Melodien von Louis Lewandowski wieder, die nach wie vor auch in der Synagoge Pestalo7zistraße gepflegt werden. Das ebenso umfangreiche wie liebevoll gestaltete Booklet zur CD gibt nicht nur die Texte dieser liturgischen Gesänge in deutscher Übertragung wieder, sondern führt mit vielen historischen Photographien auch durch über fünfzig Jahre jüdischen Lebens in Berlin: da finden sich Aufnahmen mit den liberalen Rabbinern Riesenburger, Lehrmann, Salzberger, Lubliner und Levinson, von Weggefährten wie Heinz und Ruth Galinski, aber auch von Konzerten, Gedenkfeiern und politischen Begegnungen.
Die CD-Präsentation wurde in Teilen fürs Fernsehen aufgezeichnet und wird am 14. Mai Um 21 Uhr auf 3sat gezeigt. Informationen zum Vertrieb der CD „Schabbat-Feier Oberkantor Estrongo Nachama live“ über wwvv,nachama.de